Neue Heimat Eberswalde? Vertragsarbeiter in der DDR und den Wendejahren

Ein Zeitzeugengespräch am 30.09.2022, 18:30 Uhr 

Afrika-Haus Berlin, Bochumer Str. 25, 10555 Berlin

Im November 1990 starb der Angolaner Amadeu Antonio in Eberswalde an den Folgen eines rassistischen Angriffs. Er gilt als eines der ersten Opfer rassistischer Verfolgungen in Deutschland nach der Wiedervereinigung und ist ein mahnendes Sinnbild für die Gewalt, die Xenophobie und den Rechtsextremismus in den Transformationsjahren in Ostdeutschland.

Amadeu Antonio war als Vertragsarbeiter nach Eberswalde gekommen und gehörte damit zu den rund 94.000 Menschen aus dem Ausland, die vor der Wende in der ostdeutschen Produktion tätig waren. Im Raum Eberswalde gab es vier Großbetriebe, die Vertragsarbeiter:innen beschäftigten. Sie stammten überwiegend aus Mosambik, Angola und Vietnam und waren ein fester Bestandteil des Arbeits- und Alltagslebens in der Stadt. Zwar begegnete ihnen auch in der Vorwendezeit Fremdenfeindlichkeit unter den Eberswalder:innen, eklatant spürbar wurden Ressentiments und Hass für sie aber vor allem nach dem Fall der Mauer.

Diese Tatsache beeinflusst den Blick, den wir heute auf das Thema Vertragsarbeit und Zuwanderung in der DDR haben, mitunter maßgeblich. Dabei waren die Erfahrungen, die Migrant:innen und Menschen der ostdeutschen Aufnahmegesellschaft miteinander machten, vielfältig und umfassten auch Freundschaften, Liebesbeziehungen, enge kollegiale Zusammenarbeit, Geselligkeit und kulturellen Austausch. Um die beiden Pole des funktionierenden Miteinanders und der Marginalisierung und Verfolgung der früheren Vertragsarbeiter:innen in Ostdeutschland am Beispiel von Eberswalde zu beleuchten, begrüßen wir am 30. September 2022 zwei besondere Zeitzeugen auf dem Podium des Afrika-Hauses:

Der ehemalige Vertragsarbeiter José Mafueca kam 1980 aus Mosambik in die DDR, um eine Ausbildung zum Elektrotechniker zu absolvieren und später u.a. im Walzwerk von Eberswalde zu arbeiten. Seine Erfahrungen als Vertragsarbeiter führten dazu, dass er nach der Wende den Wunsch verfolgte, in Deutschland zu bleiben und heute in Berlin zu Hause ist.

Der Journalist und Dokumentarfilmer Thomas Balzer reiste einige Monate nach der Ermordung Amadeu Antonios das erste Mal nach Eberswalde. Für den Westdeutschen war der Umgang der Einheimischen mit den früheren Vertragsarbeiter:innen sowie mit dem Rassismus und Rechtsextremismus in ihrer Stadt befremdlich. Seither begleitet er die Entwicklungen vor Ort dokumentarisch und nähert sich immer wieder der Frage an, woher der Hass gegenüber den „Fremden“ in Eberswalde rührt. 

Das Zeitzeugengespräch wird von einer Ausstellung von Fotografien des Eberswalder Hobby-Fotografen Christian Fenger (†) eingerahmt. Fenger, der selbst Arbeiter im Walzwerk war, betreute in den späten 80er Jahren eine Gruppe mosambikanischer Vertragsarbeiter und hielt sie dabei auch fotografisch fest. Seine Bilder zeigen die Männer auf Veranstaltungen, bei der Arbeit, auf Ausflügen und in ihrem Wohnheim und geben seltene Einblicke auch in das Zusammenleben zwischen ihnen und der einheimischen Bevölkerung.

Die Veranstaltung findet am 30.09.22 in Kooperation der ZeitZeugenBörse e.V. (ZZB) mit dem Afrika-Haus Berlin e.V. statt. Sie wird von der Amadeu-Antonio-Stiftung und der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin gefördert. Die Veranstaltung ist öffentlich, der Eintritt frei.